Archiv der Kategorie: Kultur

Very britisher Norden

Natürlich sind sie nicht das erste Opfer: Nordeuropäische Zeitungen haben in der vergangenen Woche einen Protestbrief an die englische Regierung verfasst. Nachdem bekannt geworden war, dass in der Redaktion des Guardian britische Verfassungs“schützer“ die Vernichtung von belastendem Material zum NSA-Skandal angeordnet und beaufsichtigt hatten, erklang ein Aufschrei in der europäischen Medienwelt. Und dieser Aufschrei erklang in Skandinavien besonders laut.

Hier soll nichts durcheinander gebracht werden: Dass der Guardian um seine freie Pressearbeit besorgt ist, muss zweifellos zuerst genannt und beklagt werden. Doch interessante kulturelle und traditionelle Verbindungen zwischen Skandinavien und Großbritannien werden um diesen Zwischenfall gleichsam deutlich.

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In einem Dorf von nebenan…

… könnte die Geschichte angesiedelt sein, die Thomas Vinterberg in Jagten (Die Jagd) erzählt. Ein grundsympathischer Erzieher wird mit dem Vorwurf des Kindesmissbrauchs konfrontiert. Und plötzlich spielt das ganze Dorf verrückt.

Mads Mikkelsen (James Bond: Casino Royale, En Kongelig Affære/Die Königin und der Leibarzt) spielt Lucas, der unschuldig verdächtigt wird – und erfüllt diese Rolle phantastisch. Nachdem ein Mädchen im Kindergarten eine kleine Lüge geäußert hat, stürzt eine Lawine auf den Ahnungslosen nieder, die der Zuschauer in der kleinen dänischen Dorfidylle nicht erwartet hätte, und die doch so universell übertragbar ist.

Nachdenkliche Schritte, verstörte Blicke, die ganze Unfassbarkeit des ihm Vorgeworfenen sprechen aus Lucas’ Gesicht; auf dem Filmfestival von Cannes wurde Mikkelsen mit dem Preis als bester Darsteller ausgezeichnet. Doch Jagten profitiert von mehr als einem sehr guten Schauspieler.

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Die Einkaufsmisere

Die Ladenöffnungszeiten in Schweden stellen den Kunden vor die Wahl: Arbeitnehmer oder ausladenden Service unterstützen. Doch gibt es einen richtigen Weg? Eine Reflektion.

Jeden Tag von 7 bis 22 oder 23 Uhr, sonntags geht es meist lediglich eine oder zwei Stunden später los: Wer Lebensmittel oder Anderes aus dem Supermarkt braucht, muss sich in Stockholm eigentlich nie Sorgen machen. Ob durch Konkurrenzkampf geputscht oder staatliche Gesetzgebung ermöglicht, ist letztendlich nicht von Belang: Die schwedischen Supermarktketten erfüllen damit ein Höchstmaß an Kundenfreundlichkeit.

Allerdings sind unter den Kunden unter der Woche auch jene, die am Sonntag bis in die Nacht arbeiten müssen. Nicht nur wegen der religiösen Bedeutung des siebten Tages der Woche, sondern eher wegen seiner symbolischen Ruhe empfinden das viele als Zumutung.

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Wenn Lucia den Tag erhellt

Es geht nicht nur um die Kälte, nicht um die Dunkelheit. Woran liegt es, dass ich mich zur Winterzeit jetzt genau richtig in Stockholm fühle?

Ein „Austausch“ ist es, an dem ich hier teilnehme. Indem ich meinen wissenschaftichen und kulturellen Beitrag leiste, erhoffe ich mir gleichzeitig, etwas Besonderes zurückzuerhalten. Etwas Sinnstiftendes. Etwas Persönliches.

Woher nehme ich das in Schweden? Sind es besondere Menschen? Eine besondere Art miteinander umzugehen? Oder ist es eine ganze Gesellschaft?

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Die dunkle Seite der Wacht

Die ausgebauten skandinavischen Wohlfahrtsstaaten haben ein soziales Image. Doch ihr Aufbau verlangt harten Einsatz der gesamten Gesellschaft; und fordert Opfer.

Der Posten im Staatshaushalt für soziale Ausgaben war und ist weiterhin einer der höchsten: Die skandinavischen Wohlfahrtsstaaten bieten umfangreiche Sozialleistungen an, ohne sie an direkte Bezahlungen zu knüpfen. Finanziert werden diese Systeme vor allem durch steuerliche Umlagen. Das erklärt den hohen Satz der Mehrwertsteuer, der hier allgemein für Konsum entrichtet werden muss – und die astronomischen Preise von Luxusgütern wie Alkohol.
Doch was ist der gesellschaftliche Preis?

Warum Überwachungsstaat?

Grundsätzlich ist für einen Wohlfahrtsstaat vor allem wichtig, abzugrenzen, wer in diese Leistungen eingeschlossen wird. Klare Zuteilungen der Sozialleistungen erfordern klare Regelungen. Damit wird der für Deutsche sicherlich verstörende „Eingriff in die Privatssphäre“ mit hohem Registrierungszwang und staatlicher Überwachung erklärt.
Beispiel: Als Auslandsstudent unterliegt man dem Zwang, sich beim Migrationswerk zu registrieren. Doch dafür erhält man nicht etwa Vorteile, es ist schlicht Pflicht. Wenn man nachfragt, warum man sich denn registrieren müsse, wenn es keine Auswirkungen habe; werden Blicke sehr skeptisch. Registrierungen gehören zum Alltag.

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