Spätestens seit Anders Breiviks Attentaten in Oslo und auf Utoya sind in den skandinavischen Gesellschaften die Debatten um politische Extreme wieder vollends entbrannt. Gerade hier, wo sich soziale Wohlfahrtsstaaten auch in den Programmen der Parteien der Mitte und Konservativen widerspiegeln, erlangen rechtspopulistische Gruppierungen extremen Zuspruch.
Ist es notwendig, dagegen einzuschreiten, und wenn ja: Wie?
Ich möchte diese Fragen anhand von zwei Beispielen beantworten:
1) Gestern Nacht verübten zwei 18-Jährige einen Sprengstoffanschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum im südschwedischen Malmö. Auch wenn der politische Hintergrund der Tat noch nicht einwandfrei geklärt ist, sind die Schuldzuweisungen in der Öffentlichkeit freilich bereits in vollem Gange. Wenigstens in einem sind sich aber alle einig: Die Tat darf nicht geduldet werden und hat in keiner Gesellschaft Platz. Die Notwendigkeit für demokratische Aufklärung gegen politische Intoleranz zu sorgen, ist also in jedem Fall gegeben.
2) Dann möchte ich ein gutes Beispiel geben, wie NICHT auf solcherlei politische Strömungen reagieren sollte: Nämlich mit einer zwanghaften Begradigung der Erziehung. Im Kulturhuset (Kulturzentrum) in Stockholm hat der künstlerische Leiter Behrang Miri am Dienstag für einen Eklat gesorgt, indem er die „Tim und Struppi“-Comics aus der Kinderbibliothek entfernen ließ – mittlerweile sind sie wieder zurück und Miri im Kreuzfeuer der Kritik.
Seine Begründung war: Die Bücher enthielten rassistisch gefärbte Darstellungen anderer Nationalitäten; dumme Afrikaner mit Bananen, Araber auf fliegenden Teppichen und Wasserpfeife rauchende Türken. Kinder könnten diese Bilder aus der Kolonialzeit nicht in den entsprechenden zeitlichen Kontext einordnen.
Sofort waren die Stimmen zur Wahrung der künstlerischen Freiheit und Bevormundung der Erziehung aus allen Ecken und Enden zu hören: Am einfachsten und doch deutlichsten meldete sich Kulturministerin Lena Adelsohn-Liljeroth zu Wort: „Welcher Schritt ist nach der Aussortierung von Büchern der nächste?“
Welche Konsequenzen stattdessen gezogen werden sollten, hat Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg schon vor einem Jahr beim Trauergottesdienst im Dom Oslos formuliert. Sein Zitat wurde nach den Anschlägen zum geflügelten Wort in Skandinavien und sollte jedem, der von den aktuellen Ereignissen hört oder sie liest, zurück ins Gedächtnis schießen:
„Vi er fortsatt rystet av det som traff oss, men vi gir aldri opp våre verdier. Vårt svar er mer demokrati, mehr åpenhet og mer humanitet. Men aldri naivitet.“
„Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit. Aber keine Naivität“